Ein Deutsch-Ukrainisches Abendessen und Gespräche mit Google Translation
Ich war neulich bei meinen Nachbarn Becci und Silvan zum Abendessen eingeladen. Anna, Andrii und der kleine Dima aus der Ukraine haben dort seit einer Weile eine Zuflucht gefunden.
Jeden Abend wird dort zusammen gekocht, gelacht, mit Händen und Füßen und Google Translater geredet und zusammen am Tisch überlegt, wie es weiter gehen kann.
Davon und ihrem Leben erzählen euch alle 4 in diesem Blog mit Bildern von mir.
Vielleicht finden sich dadurch Menschen für einen Austausch, Freude, Freunde, Vernetzung und mehr Möglichkeiten für eine gute Zukunft.
Ursprünglich wollten wir auf diesem Weg eine Wohnung suchen. Aber glücklicherweise dürfen Anna, Andrii und Dima in ein paar Wochen in ihr neues Zuhause ziehen.
Ich wünsche euch von Herzen alles Gute!
Danke, dass ich fotografieren durfte und auch für das leckere Abendessen!
„Wie gut Du bist! Dieser Gedanke wärmt mich in schwierigen Momenten. Und in Erinnerung daran flüstere ich gedanklich: Danke!“ -Anna
Hast Du Dir schon einmal vorgestellt, wie es sich anfühlt, wenn Dir der Boden unter den Füßen weggerissen wird? Wenn Dein Leben über Deinem Kopf zusammenbricht? Wenn alles, was Du Dir hart erarbeitet hast, alles, wofür Du stehst und lebst, einfach nicht mehr existiert?
Wir sind Anna, Andrii und Dima - eine kleine Familie aus Tschuhujiw, einer Vorstadt von Charkiw in der Ukraine und wir mussten in den letzten Monaten genau das erleben.
Unser Land wurde in einen furchtbaren Krieg verwickelt. Ein Krieg, in dem es niemals einen Sieger geben wird. Viele Stadtbewohner ließen ihr Leben, verloren Freunde und Verwandte und mussten hilflos zusehen, wie sämtliches Hab und Gut, alles, was sie sich über Jahre, sogar Jahrzehnte aufgebaut hatten, den Trümmern des Krieges zum Opfer fiel.
Und auch wir standen vor einigen Wochen vor dem Nichts. Gefangen in einem Bunker, mit zu vielen Menschen auf zu wenig Raum, blieb uns nichts anderes übrig als zu fliehen und das Land zu verlassen.
In aller Eile packten wir die nötigsten Dinge in unser Auto, bevor wir Hals über Kopf die Stadt verließen. Wir erreichten Deutschland mit einem Kofferraum voller Winterkleidung, und einem Pack Suppennudeln.
Doch so aussichtslos diese Situation schien, so brachte sie doch auch etwas Positives hervor: Wir haben am eigenen Körper erfahren, wie gut es tut, dass es auch in der momentanen Situation Menschen gibt, die ihre Hilfe und Unterstützung anbieten. Menschen, die schnell reagieren auf Umstände, die für andere lebensbedrohlich sind. So viele Menschen, darunter auch wir, brauchen jetzt Hilfe – und bekommen Hilfe.
Wir wurden von einem wunderbaren Paar, Rebecca und Silvan aufgenommen. Und so banal es klingen mag, sie verändern unser Leben. Sie helfen uns dabei, wieder Licht in das Dunkel zu bringen, sie lassen uns erkennen, dass die Welt mit bunten Farben gemalt ist und nicht nur schwarz-weiß. Und das Wichtigste: Durch sie hat unser Baby die Chance, ein farbenfrohes und glückliches Leben zu leben. Ein Leben, das momentan in der Ukraine nicht nur undenkbar, sondern schlicht und einfach unmöglich wäre.
Rebecca und Silvan haben uns in Ihr Zuhause gelassen, uns eingeladen, an ihrem Tisch zu sitzen und ein Teil ihrer Familie zu sein. Mit kleinen Gesten, Ausflügen und ihrer Unterstützung im bürokratischen Deutschland beweisen sie uns jeden Tag, dass das Leben weitergeht.
Ob es einfach ist? Definitiv nicht. Zu dritt in einem kleinen Zimmer, zu fünft in einer Dreizimmerwohnung. In einem Land, dessen Sprache wir mit Mühe zu lernen versuchen und doch jeden Tag vor den sprachlichen Barrieren einer fließenden Kommunikation stehen. Ständig mit der Angst lebend, dass wir schreckliche Nachrichten von Freunden und Familien aus Tschuhujiw erhalten.
Die deutsche Bürokratie macht es nicht einfacher. Seit Wochen warten wir auf Papiere und Dokumente, um hier unseren Neuanfang beginnen zu können. Doch so mühsam, anstrengend und nervenaufreibend es auch ist, so dankbar sind wir doch, dass wir hier von einem System aufgefangen werden, das uns unterstützt und Hilfe bietet.
Wir möchten nicht nur danke sagen, sondern auch allen anderen Mut machen. Mut dafür, das Leben wieder als lebenswert zu sehen. Mut dafür, offen für andere Kulturen und Menschen zu sein. Mut dafür, einen Neuanfang zu wagen, wenn alles andere aussichtslos scheint.
Und wie ist es für Rebecca und Silvan, die ebenfalls ihr Leben umgekrempelt haben, jedoch freiwillig, um der kleinen, ukrainischen Familie zu helfen und sie nicht nur in ihrer Wohnung, sondern auch in ihr Leben, in ihren Alltag zu lassen?
Besonders in den ersten Wochen nach der Ankunft von Anna, Andrii und Dima habe ich (Rebecca) mein Arbeitspensum so gut wie komplett heruntergefahren, um die Familie bei Amtsgängen begleiten und unterstützen zu können und notwendige Telefonate zu führen. Dabei habe ich gemerkt, wie unglaublich froh ich bin, diese Möglichkeit zu haben. Einfach weniger zu arbeiten. Mit einem Vollzeitjob hätten sich diese Aufgaben ganz einfach nicht bewältigen lassen und ohne meine Unterstützung wäre es für die drei fast unmöglich gewesen, herauszufinden, wie die nächsten Schritte durch den Bürokratiedschungel sind. Denn, ohne zu übertreiben, von Ankunft bis Abgabe der Asylbeantragung haben wir fünf verschiedene Anlaufstellen besuchen, haufenweise Formulare und Anträge ausfüllen und unzählige Telefonate führen müssen. Selbst für mich, als Deutsche, war das mehr als verwirrend. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie sich das für jemanden anfühlen muss, der sich weder auskennt noch die Sprache auch nur ansatzweise spricht oder versteht.
Leider sind nicht nur wir mit diesem ganzen Papierkram, den Vorgaben und Regelungen überfordert, sondern auch die Stadt. Ansprechpartner gibt es viele – und jeder schiebt die Verantwortung auf den Nächsten. So gingen Stunden ins Land, nur um herauszufinden, wie viel Asyl der Familie zusteht und wie wir das beantragen können.
Die Suche nach einem Sprachkurs, der im Anschluss für die Jobsuche mit einem Zertifikat bestätigt wird und im besten Fall nicht erst in vier Monaten startet, zog sich über 7 Wochen hin. Die Suche nach einem Kindergartenplatz für den kleinen Dima ebenfalls. Doch jeden Tag kommen wir mit kleinen Schritten voran. Andrii kann nun endlich viermal die Woche den Sprachkurs bei der VHS besuchen. Annas Sprachkurs wird im September starten.
Dima hat einen Kitaplatz ab Oktober und damit endlich die Möglichkeit, Freundschaften zu schließen.
Auch die Suche nach einer Wohnung, in der die Familie endlich Raum für sich hat, gestaltete sich mehr als schwierig. Umso glücklicher sind wir jetzt, dass sie schon bald in ihr eigenes kleines Reich ziehen dürfen.
Doch neben all diesen Komplikationen, den Steinen, die uns von staatlicher Seite in den Weg gelegt wurden - und die wir erst einmal auf die Seit schaffen mussten - haben wir gemerkt, wie wertvoll unser Netzwerk, unsere Freunde und Familie, Bekannte und Bekannte von Bekannten sind. Denn auch wenn wir uns ohne Netz und doppelten Boden in diese Herausforderung geworfen haben, so haben wir unglaublich viel Rückhalt in unserem privaten Umfeld erlebt. Kinderkleidung, Spielsachen, Tipps und Ratschläge, Kontakte,
Möglichkeiten, der Enge einer Dreizimmerwohnung mit fünf Personen für einige Nächte zu entfliehen, oder die Chance, hier über diesen Weg unsere Geschichte zu erzählen – für all das sind wir (und damit meine ich uns alle fünf) unglaublich dankbar!